26. Oktober 2019, Bad Urach. Residenzschloss und Stift Urach
Programm...
Vorträge im Dürnitz-Saal des Residenzschlosses zu Bad Urach
Der Mittelalterhistoriker Prof. Dr. Gert Melville (Dresden) gehört zu den führenden Forschern auf dem Gebiet der Ordensgeschichte und ist Direktor der Forschungsstelle Vergleichende Ordensgeschichte in Dresden.
In seinem Vortrag "Perfektionierung. Der schmale Weg zum Erfolg klösterlichen Lebens im späteren Mittelalter" legte Gert Melville den Fokus auf das Leben von Nonnen und Mönchen, die im Kloster Orte der Perfektionierung des Glaubens vorfanden oder vorzufinden glaubten. Im Klosterleben sei nicht auf eine "besondere Verhaltensweise" oder um die "Vervollkommung der Perfektionierung" abgezielt worden. Vielmehr sei es um das Verhältnis des Menschen zu Gott und um das ständige Voranschreiten durch Annäherung an das Ideal gegangen.
In Armut, Keuschheit und Gehorsam und einer bedingungslosen Trennung von der Welt sollten die Ordensleute Körper und Seele in Übereinstimmung mit dem Glauben bringen. Dies sollte über Anstrengung, Konzentration, Kontemplation, Selbstfindung und Selbstbekämpfung und nicht zuletzt durch körperliche Kasteiung erreicht werden. Dafür definierten die Orden rigorose Regeln. Viele Ordensleute hielten dem intrinsischen und extrinisischen Druck nicht stand; Manche zerbrachen an dem hohen Anspruch und Suizide waren keine Seltenheit. Martin Luther hatte wiederholt von seinen Anfechtungen gesprochen, mit denen er im Kloster konfrontiert war und über die Verzweiflung, den hohen Erwartungen nicht entsprechen zu können. Scheitern gehörte bei Nonnen und Mönchen zum Alltag.
Die bekannte Landeshistorikern und Lehrstuhlinhabern Prof. Dr. Sabine Holtz (Stuttgart) berichtete aus ihren langjährigen Forschungen zu vorreformatorischer und frühneuzeitlicher Religiosität und gab Einblicke in die Vielfalt spätmittelalterlicher Frömmmigkeit in Urach und in der Region. Nur über die Kirche war Heil zu erlangen - diese Ansicht teilten alle sozialen Stände. Seit 1302 und der Bulle von Papst Bonifatius VIII. wurde dies umfassend begründet: Aus dem Papstprimat wurde die Weltherrschaft in geistlichen und weltlichen Dingen abgeleitet. Die geistliche Lehre habe folglich das politische und landesherrliche Kalkül ummantelt. Dies machte die Referentin an Beispielen aus der Region deutlich: Die Grafenfamilie von Achalm oder Herzog Eberhard (im Barte) agierten in Übereinstimmung; In Güterstein, Offenhausen, Kirchheim, Zwiefalten und Pfullingen wurde ebenfalls danach gehandelt. Ordensreformen wurden von den Landesherrschaften unterstützt und setzten kirchliche Regeln oder Ordensgelübde durch. Vielfältige Formen der Frömmigkeit wurden in allen Bevölkerungsschichten realisiert: Auch wenn es in Urach kein Kloster, aber doch die "Brüder vom gemeinsamen Leben" existierten, zu dem das Stift und die Kirche St. Amandus gehörte, wurde auch hier fromm gehandelt: Nah- und Fernwallfahrten waren im Jahresablauf hier wie in der gesamten Region ebenso fest verankert wie die zahlreichen Feiertage und die noch zahlreicheren (gestifteten) Messen. Die Menschen wollte mit einem gottgefälligen Leben Ängste und Ungewissheiten mindern. Die Reformation setzte andere Schwerpunkte: Nur durch die Gnade Gottes - sola fide -, nicht durch oft nur als äußerlich verstandene Formen von Frömmigkeit sei das Heil erreichbar.
Nach einer Frage- und Diskussionsrunde und einem gemeinsamem Mittagessen im ehemaligen „Stift der Brüder vom gemeinsamen Leben", folgten Führungen durch das Residenzschloss, die benachbarte Amanduskirche und das Stift.
Daran anschließend überreichte Weihbischof Dr. Gerhard Schneider im Auftrag von Bischof Dr. Gebhard Fürst den Bischof-Carl-Joseph-von-Hefele-Preis des Jahres 2019 an die Landeshistorikerin Amelie Bieg M.A. mehr dazu.... Die Nachwuchswissenschaftlerin stellte anschließend Ergebnisse aus ihrer Arbeit vor.
Abschließend fand die Jahresversammlung statt. Viele Tagungsgäste nutzten danach die Möglichkeit, beim Abendgebet eine der klösterlichen "Tagzeiten" in der Stiftskapelle teilzunehmen.