Bischof-Carl-Joseph-von-Hefele-Preis 2009
Der Preis ging an die Theologin Christiane Holzhauer (jetzt Pohl), Tübingen
Sie erhält den Preis für ihre Diplomarbeit: "Er hätte im Gegenteil oft mit ‚Grüß Gott’ gegrüßt. Eine Untersuchung zur Rolle der religiösen Argumentation in den Persilscheinen des Entnazifizierungsverfahrens für die Erstellung von Deutungsmustern der Wertestrukturen im Spannungsfeld von Besatzungsmacht, Bevölkerung und katholischer Kirche.
Die Preisübergabe fand am 28. Januar 2010 in feierlichem Rahmen im Wilhelmsstift Tübingen statt.
Ihr Vortrag wurde im RJKG 28/2009 unter dem Titel
Christiane Holzhauer: »Insbesondere hat sie die religiösen Pflichten regelmäßig erfüllt«. Religiösethische Deutungsmuster in den Persilscheinen des Entnazifizierungsverfahrens, S. 261-268.
Der Text ist online verfügbar
Bericht zur Preisverleihung
„Grüß Gott“ oder „Heil Hitler“ ?
Weihbischof Dr. Johannes Kreidler überreichte am 28. Januar 2010 im Tübinger Wilhelmsstift an die junge Theologin Christiane Holzhauer den Bischof-Carl-Joseph-von-Hefele-Preis. Dieser Wissenschaftspreis wird an herausragende junge Kirchenhistoriker und Kirchenhistorikerinnen vergeben, die sich in ihren Abschlussarbeiten der Erforschung der Geschichte im Gebiet der Diözese annehmen.
Programm
Wie Dr. Wolfgang Zimmermann in seiner Begrüßung ausführte, belege eine Diplomarbeit, wie sie Christiane Holzhauer vorlegt, dass in Tübingen Kirchengeschichte „kein Fach am Rand der theologischen Disziplinen“ sei. Vielmehr habe die regional forschende Kirchengeschichte ihren festen Platz im theologischen Fächerkanon. Dem stimmte Professor Dr. Andreas Holzem zu, der die Arbeit der Theologin betreut hat. In seinem Festvortrag „Last der Vergangenheit“ fragte er danach, wie Deutsche die Zeit des Nationalsozialismus erinnerten und deuteten, wie sie ihre Sehnsucht nach Selbstversöhnung stillten und auf welchen Wegen sie ihre Verstrickungen in das Nazi-Regime zu verarbeiten suchten. Die Ergebnisse, die Christiane Holzhauer durch ihre Diplomarbeit erarbeitet habe - die Auswertung von "Persilscheinen", in denen bestätigt wurde, den Nationalsozialismus nicht unterstützt zu haben - trügen dazu bei, dass nun einige der offenen Fragen - z.B. waren Pfarrer "Weißwäscher" - exakter beantwortet werden könnten.
Weihbischof Dr. Johannes Kreidler führte in seiner Laudatio aus, dass die Preisträgerin überzeugend das alte Klischee aus dem Weg geräumt habe, dass katholische Geistliche in großem Umfang und sehr großzügig „Persilscheine“ ausgefertigt hätten. Er wünschte der angehenden Promovendin alles Gute und überreichte im Auftrag von Bischof Dr. Gebhard Fürst den mit 2.500 € dotierten Preis.
In ihrem nachfolgenden Vortrag stellte Christine Holzhauer dar, welche Rolle die von den Besatzungsmächten als unbelastet eingeschätzten Priester gespielt haben, indem sie Bescheinigungen ausstellten. Sie erläuterte, welche Bedeutung der religiösen Argumentation in diesen Fällen zukam. Sätze wie: Der Antragsteller habe "oft mit ’Grüß Gott’ gegrüßt“ – und eben nicht mit dem Hitler-Gruß – und sei seinen „kirchlichen Pflichten" nachgekommen, galten als Beleg für die Distanz eines Katholiken zum System und genügten meist, um die Person zu entlasten. Die gewählten Argumente ließen erkennen, dass sich die Betroffenen pragmatisch den politischen Normen und moralischen Werten der Besatzungsmacht und der Spruchkammern angepasst haben.
Meist sei aber bei den so Reingewaschenen und zu „Opfern“ erklärten die notwendige Auseinandersetzung mit ihrem Handeln in der Zeit des Nationalsozialismus - mit ihrer möglichen Schuld - unterblieben.
Studiendekan Prof. Dr. Hilberath hatte schon zuvor in seinem Grußwort daran erinnert, dass Bischof Sproll das Kirchenvolk dazu ermahnt habe, den Grad ihrer Verstrickung und ihrer Schuld daran zu messen, in welchem Umfang sie von Naziregime profitiert haben oder profitiert hätten, falls es nicht zum Zusammenbruch gekommen wäre.