Stuttgarter Gespräche 2011

Quo Vadis Bildung

Informationsflyer

Bericht zum Studientag 

Die dritten Stuttgarter Gespräche zur historisch-politischen Kultur widmeten sich wiederum einem aktuell diskutierten gesellschaftlichen Thema mit klarem Bezug zu kirchlichen Handlungsfeldern, das in ihrer historischen Dimension analysiert und in ihren Gegenwartsbezügen diskutiert wurde. 
Das diesjährige Thema behandelte die Geschichte von Bildung und Bildungskonzepten in der Moderne. Der Studientag hatte das Ziel, den Wandel von Bildungskonzepten in den vergangenen 200 Jahren nachzuzeichnen und deren Realisierung durch freie, staatliche und kirchlicher Träger darzustellen. 

Der Züricher Erziehungswissenschaftler Prof. Dr. Jürgen Ölkers zeichnete in seinem Vortrag zunächst die Geschichte der Bildungskonzepte seit 1800 nach. Um 1800 hatten die aufgeklärten Ideen der jungen Pädagogik - darunter Salzmann, Campe, Pestalozzi und Lavater - Eingang in die praktische Bildungsarbeit gefunden. Die katholische Volksaufklärung griff diese Ideen auf und trug sie, über die Ortspfarrer im ehemaligen Bistum Konstanz über Predigten und praktische Schulreform in die Pfarrgemeinden hinein. Besonders prägend, so der Referent, seien nicht die Theorien, sondern die Elemente der Praxis gewesen. So berufe sich beispielsweise der Marchtaler Plan auf bekannte Pädagogen wie Maria Montessori, doch habe der Plan, der die meisten katholischen Schulen prägt, unabhängig davon eigene Schwerpunkte gesetzt: Morgenkreis, freie Stillarbeit, Lernen nach eigenem Tempo, altersdurchmischtes Lernen oder vernetzter Unterricht sind typische Kennzeichen der katholischen Schul- und Bildungsarbeit in der Diözese Rottenburg-Stuttgart. 
Harald Häupler, Direktor des katholischen Albertus-Magnus-Gymnasiums in Stuttgart, konnte daran anschließend aus der Praxis berichten. Selbst Beteiligter an der Entwicklung des im deutschen Sprachraum vielfach nachgeahmten, auf einem christlichen Menschenbild gründenden Konzepts des Marchtaler Plans, ist ihm wesentlich, dass den jungen Persönlichkeiten eine „demütige Haltung" entgegengebracht werde. Dem konnte Fritz Sperth, der als Schulleiter für die erfolgreich agierende, staatliche Werkrealschule Tübingen sprach, zustimmen. Für ihn sind Wertschätzung, die Setzung klarer Normen und Gerechtigkeit wichtig; Er setzt sich damit für eine Ethik ein, die es an staatlichen Schulen ebenso gebe wie an christlichen. Häupler und Sperth waren sich darin einig, dass es nicht darum gehe, der Gesellschaft nützliche und funktionierende Geschöpfe zuzuführen. 
Einen Überblick über die aktuelle Bildungsdiskussion Baden-Württembergs gab am Nachmittag zunächst Renate Allgöwer, Redakteurin der Stuttgarter Zeitung. An der anschließenden Podiumsdiskussion nahmen zwei Schulleiter teil, deren bildungspraktische Impulse innerhalb der südwestdeutschen Bildungslandschaft besondere Aufmerksamkeit erfahren hatten: Alfred Hinz, Direktor i.R. der Bodenseeschule St. Martin in Friedrichshafen und Dr. Bernhard Bueb, Direktor i.R. des Internats Schloss Salem diskutierten ihre je eigenen Bildungskonzepte mit Ursula Duppel-Breth, der Vertreterin der Elternschaft und zwei Vertretern aus der Landtagspolitik, mit Andrea Krueger, CDU und Dr. Frank Mentrup, SPD. 
Moderiert von Barbara Deifel-Vogelmann (Caritasverband der Diözese) stellten sie kritisch die schulischen und (partei-)politischen Konzepte gegenüber. Die Vertreterinnen und Vertreter der freien Schulen und der Elternschaft vertraten die Meinung, dass private und kirchliche Bildungsträger mehr Freiräume hätten und spontaner reagieren könnten. Mehr Freiräume wünschten sich, so die Ansicht der Beteiligten, sicherlich alle Schulaktiven. Eine Einigkeit über den einzig richtigen Weg, die beste Konzeption, sei allerdings nicht zu erwarten. Einig waren sich die Diskutanten jedoch darin, dass in der Bildungs- und Erziehungsarbeit mehr vom Kind aus gedacht werden müsse. 
Grußworte sprachen Dr. Verena Wottke-Werner (Direktorin der Akademie), Lothar Frick (Direktor der Landeszentrale) und Prof. Dr. Konstantin Maier(Vorsitzender des Geschichtsvereins).

Mitwirkende (v.li.) Barbara Deifel-Vogelmann, Alfed Hinz, Harald Häupler, Dr. Verena Wodtke-Werner, Lothar Fric, Ursula Dupppel-Breth, Andrea Krueger MdL (CDU), Dr. Bernhard Bueb, Dr. Frank Mentrup MdL (SPD), Dr. Maria E. Gründig, Prof. Dr. Konstanin Maier.
Es fehlen: Fritz Sperth, Prof. Dr. Jürgen Oelkers und Dr. Reinhold Weber.

Eine Veranstaltung  des Geschichtsvereins und der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart sowie der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg. 

Geplant durch: 
Dr. Verena Wodtke-Werner, Akademie
Dr. Maria E. Gründig, Geschichtsverein 
Dr. Reinhold Weber, Landeszentrale