Matthias Erzberger (1875-1921)

Über hundert Gäste beim Matthias-Erzberger-Abend

Am 6. Oktober erinnerte der Geschichtsverein im Haus der Geschichte in Stuttgart an die Aktivitäten von Matthias Erzberger in Württemberg. Nach der Begrüßung durch den Leiter des Hauses der Geschichte, Dr. Thomas Schnabel, Sonderführungen durch die Dauerausstellung mit Schwerpunkt Erzberger und einer kurzen Erfrischung stand mit dem Vortrag von Prof. Dr. Andreas Holzem Matthias Erzberger im württembergischen Katholizismus im Zentrum des Abends.

Eindrucksvoll schilderte der Referent die familiären und gesellschaftlichen Prägungen des in Buttenhausen Geborenen. Weil der junge Erzberger eine besondere Sensibilität für Benachteiligung erfahren hatte, wurde er ein wichtiger Wegbereiter der Demokratie: Er forderte und förderte die Partizipation der sich im evangelisch dominierten Württemberg lange unterdrückt fühlenden Katholiken. Er motivierte die Gründung von Selbsthilfeorganisationen und trug dazu bei, dass die zum Teil entwurzelten jungen Katholiken, die im Zeitalter der Industrialierung zu Tausenden in die Städte zogen, selbstbewusst blieben. Die Aufrechterhaltung der konfessionellen Identität war dabei ein wichtiger Faktor.

Ausgehend von einer Konfliktanalyse zeigte Andreas Holzem auf, wo Katholiken in ihrem gesellschaftlichen Umfeld um 1900 auf Schwierigkeiten stießen und wo es Sonderentwicklungen gab, die manches Problem zumindest entschärften. Erzbergers Einsatz für die Gründung von Verbänden, für christliche Gewerkschaften und Arbeitersekretariate trug dazu bei - und ermöglichte Partizipation auf politischer wie auf gesellschaftlicher Ebene und wirkte, wie angemerkt, zudem demokratisierend. Anders als in Westfalen oder im Rheinland entwickelte sich in Württemberg kein geschlossenes "katholisches Milieu" (M. Rainer Lepsius) und keine "Kaplanokratie" (Max Weber); Auch blieb Württemberg aufgrund etwas liberalerer (kirchen-)politischer Bedingungen von einem Kulturkampf verschont.

Im Namen des Geschichtsvereins und dessen Vorsitzenden, Prof. Dr. Konstantin Maier, dankte Dr. Maria E. Gründig in ihrem Schlusswort dem Referenten, sowie dem Hausherrn. Beeindruckend sei gewesen, wie Andreas Holzem Erzberger in der damaligen Gesellschaft verortete, sein politisches Umfeld darstellte, wodurch erst verstanden werden konnte, wodurch Erzbergers Aktivitäten für das "einfache" katholische Volk motiviert waren.

Programmflyer
18:00 Führungen Dr. Thomas Schnabel, Dr. Christopher Dowe, Dr. Cornelia Hecht
19:30 Vortrag 
   Prof. Dr. Andreas Holzem, Universität Tübingen  
   Matthias Erzberger im württembergischen Katholizismus
20:30 Schlusswort

Eine Veranstaltung des Geschichtsverein der Diözese Rottenburg-Stuttgart und des Hauses der Geschichte Baden-Württemberg.

Vorbereitungsteam:
Dr. Christopher Dowe, Haus der Geschichte, Stuttgart
Dr. Maria E. Gründig, Geschichtsverein, Stuttgart